Magische Edelsteine
Das Anhäufen von Schmuckstücken aus Gold, Silber und Edelsteinen diente dem Adel zur Prachtentfaltung und zur Demonstration des hohen Status innerhalb der Gesellschaft. Darüber hinaus gab es jedoch auch eine große Leidenschaft für das Sammeln von Edelsteinen, denen magische Kräfte innewohnen sollten. Manche Bürgerliche wie etwa vermögende Kaufleute teilten die Liebe zu solchen Kostbarkeiten. So ist beispielsweise der Fall eines Gewürzhändlers aus London überliefert, der einen Saphir vererbte, mit dem angeblich Augenleiden geheilt werden konnten. Die meisten Edelsteine mit magischen Eigenschaften sind jedoch schon allein aufgrund der deutlich größeren finanziellen Möglichkeiten im Umfeld der Adelshöfe dokumentiert.
Magische Eigenschaften und Verstärkung durch Inschriften
Zahlreiche Ringe mit Edelsteinen weisen zusätzlich eine Inschrift auf, die die magischen Potenzen der Steine erhöhen sollte. So verheißt der Schriftzug in einem Rubinring aus dem 14. Jahrhundert seinem Träger Glück. Ein anderer Ring, den die Inventarliste der Schatzkammer des Herzogs von Burgund aus dem Jahre 1455 anführt, sollte Frauen die Geburt eines Kindes erleichtern. Des Weiteren sollten manche Steine die Fähigkeit besitzen, Gift aufzuspüren. Sie sonderten angeblich Feuchtigkeit ab, sobald sie in die Nähe giftiger Stoffe gerieten. Diese Eigenschaft wurde vor allem an den Adelshöfen als sehr nützlich eingestuft. Da der Adelsstand insgesamt häufig in politische Konflikte oder Intrigen verstrickt war und Giftanschläge eine reale Bedrohung darstellten, erfreuten sich solche Edelsteine hoher Beliebtheit. Wer Zugang zu den Schatzkammern hatte, lebte allerdings unter Umständen recht gefährlich. So ist aktenkundig, dass im Jahre 1232 ein Kämmerer des Königs von Frankreich angeklagt wurde, einen Ring entwendet und diesen einem Feind des Herrschers übergeben zu haben. Da das Schmuckstück unbesiegbar machen sollte, war das Delikt des Hochverrats gegeben, das unweigerlich die Todesstrafe nach sich zog.
Lapidarien
Überliefert sind die wundersamen Eigenschaften, die den verschiedenen Edelsteinen anhaften sollen, in den sogenannten Lapidarien. Obwohl der Klerus alles Magische stets bekämpfte und bis ins 13. Jahrhundert hinein keine Unterscheidung zwischen schwarzer und weißer Magie kannte, fühlte sich der Bischof von Rennes berufen, ein Traktat über die magischen Wirkungen der Edelsteine zu verfassen, das durchgängig positiv Stellung bezieht. In seinem Werk „De lapidibus“ (Über die Steine), das er im 11. Jahrhundert für einen kleinen Kreis von Freunden schrieb, erläutert der Geistliche, dass die wirksamen Potenzen der Steine weitaus höher einzuschätzen seien als die der Kräuter. Nach Auffassung des Klerikers soll beispielsweise ein Trank aus Milch, dem ein pulverisierter Saphir beigemischt wurde, gegen allerlei Gebrechen helfen, zusätzlich friedlich stimmen sowie Angst und Neid vertreiben.
Verbreitung durch weitere Lapidarien
Spätere Verfasser von Lapidarien beziehen sich auf das als grundlegend betrachtete Werk des Bischofs, fügen bei vielen Edelsteinen neue magische Eigenschaften hinzu und sorgen für die weitreichende Verbreitung der Idee von der Magie der Steine, die zuvor nur wenigen Eingeweihten bekannt war. Laut diesen Autoren sollten manche Edelsteine neben allen sonstigen Eigenschaften nun auch prophetische Gaben verleihen, andere wiederum sollten gegen Wahnsinn wirksam sein oder vor Angriffen wilder Tiere schützen. Bei der Zuordnung der Edelsteine in den Bereich der natürlichen oder der dämonischen Magie herrschten allerdings unterschiedliche Auffassungen vor. Während der überwiegende Teil der Verfasser der Lapidarien Edelsteine der natürlichen Magie zuordnete, gab es ebenfalls Stimmen, die ihre Wirkungen zur schwarzen Magie zählten. So warnten etwa einige Autoren ausdrücklich davor, dass dämonische Energien freigesetzt würden, wenn man die Steine zu Pulver zerstößt und ins Wasser streut.
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