Paris im Mittelalter
Die Geschichte der Stadt Paris reicht bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. zurück. Der keltische Stamm der Parisier ließ sich auf einer zentralen Insel im Becken der Seine nieder und erbaute dort eine Siedlung sowie ein Heiligtum. Nachdem Caesar Gallien erobert hatte, erhielt die Siedlung als römische Dependance den offiziellen Namen Lutetia parisiorum. Ihre Ausdehnung beschränkte sich seinerzeit weiter auf die ursprünglich von den Kelten bewohnte Insel, auf die heutige Ile de Cité. Wie in anderen besetzten Gebieten auch errichteten die Römer ihre typischen Bauwerke: Amphitheater und Arena, Forum und Therme. Des Weiteren konstruierten sie Holzbrücken, die die Siedlung mit beiden Ufern der Seine verbanden. Paris erfuhr nun einen sukzessiven Zuwachs an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung und galt in der Spätantike als beliebter Aufenthaltsort römischer Kaiser. Nach dem Zerfall des römischen Imperiums, den Eroberungen durch Franken und Normannen sowie dem Niedergang des Karolingerreichs gelangte ein Spross der rechtsrheinischen Sippe der Kapetinger auf den Thron. Odo Graf von Paris wurde im 9. Jahrhundert zum König Frankreichs bestimmt. Einer seiner Nachfahren, Hugo Capet, verstand es, die französische Königsherrschaft dauerhaft mit seiner Familie zu verbinden. Der Name der Hauptstadt blieb jedoch Paris.
Paris im Hochmittelalter
Im 12. Jahrhundert war die Stadt bereits zu beträchtlicher Größe angewachsen. Außer der Ile de Cité, die nach wie vor das Zentrum der Stadt bildete, gab es weitere Ansiedlungen am rechten und linken Ufer der Seine. Fünf Brücken verbanden nun die Insel mit dem Festland, mit Fähren konnte der Fluss ebenfalls überquert werden. Da die Viertel an den Ufern überwiegend aus ehemaligen Klosteranlagen entstanden waren, dominierten Sakralbauten wie Kirchen das urbane Bild der Stadt. Am linken Ufer erhob sich die Universität als älteste und wohl auch mächtigste Institution ihrer Art in Kontinentaleuropa. Am rechten Ufer lag der Hafen, der nicht unerheblich zum wirtschaftlichen Aufschwung und Erfolg beitrug, da mit ihm die Basis für die rege Handelstätigkeit bereitgestellt wurde. Paris wurde zu einer der ersten Adressen für Händler in Europa. Zahlreiche Plätze wurden für den Warenumschlag genutzt, der mit Abstand größte war durch eine hölzerne Überdachung gegen Witterungseinflüsse geschützt. Diese „Les Halles“ genannten Markthallen standen noch bis vor 40 Jahren an exakt der Stelle, an der sie sich schon im Mittelalter befanden.
Paris im Spätmittelalter
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts betrug die Zahl der Einwohner von Paris mehr als 100.000. Keine andere mittelalterliche Stadt konnte einen vergleichbaren Bevölkerungsreichtum aufweisen. So hatte etwa Köln als größte deutsche Stadt zur selben Zeit lediglich 35.000 Einwohner. Um die Verwaltung des Ballungsraums von Paris zu vereinfachen, wurde die Stadt systematisch in Quartiers genannte Viertel unterteilt. Die Bezeichnung der Quartiers leitete sich teilweise aus Merkmalen ab, die die in ihnen befindlichen Institutionen kennzeichneten. So wurde beispielsweise das Universitätsviertel Quartier latin genannt, da die Gelehrtensprache Latein war. Wie viele andere europäische Städte auch war Paris umgeben von einer Befestigungsmauer, die den Schutz der Bevölkerung bei kriegerischen Auseinandersetzungen gewährleisten sollte. Die Breite ihres Sockels maß drei, ihre Höhe sechs und ihre Oberkante immer noch zweieinhalb Meter. 37 Türme krönten die Mauer. Ihr Bau wurde unter der Herrschaft von König Philipp II. August begonnen, in dessen Herrschaftszeit auch die Gründung der Universität fiel. Die Hochschule genoss schon bald einen außerordentlich guten Ruf, sodass zahlreiche Studenten aus dem In- und Ausland sich hier immatrikulierten. Die Anziehungskraft beruhte vor allem auf der Lehre, denn berühmte Hochschullehrer vermittelten ihr Wissen an ihre Schüler. So unterrichtete dort der hoch angesehene Scholastiker Guillaume de Champeaux sowie auch sein bedeutendster Schüler, Pierre Abélard.
Verwaltung und Organisation der Stadt
Doch nicht nur als Ort des Wirkens namhafter Wissenschaftler und Professoren machte sich Paris einen Namen, sondern auch als bedeutendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Europas. Die Stadt war ein pulsierendes und einflussreiches Handelszentrum. Wie überall während des gesamten Zeitraums des Mittelalters waren Handel und Gewerbe in Zünften und Gilden organisiert. Der reichsten und zugleich politisch mächtigsten Gilde gehörten die Kaufleute an, denn die Umsätze und Gewinne der Händler lagen deutlich oberhalb derer, die andere Berufsgruppen erzielen konnten. Innerhalb der sozialen Schicht der Kaufleute gehörten die Tuchhändler zu den reichsten Angehörigen der mittelalterlichen Gilden in Paris. Aus ihren Reihen wurde der höchste Amtsträger der Stadt, der Prévôt, rekrutiert, dessen Befugnisse in etwa mit jenen eines Bürgermeisters in einer deutschen Stadt vergleichbar waren. Er wurde durch den König in sein Amt eingesetzt, da Paris zugleich Königssitz war. Der Prévôt wurde von vier Schöffen und 24 Ratsherrn unterstützt, die in einem komplizierten Wahlverfahren für eine Amtszeit von zwei Jahren bestimmt wurden. Ein kleiner, elitärer Kreis besonders angesehener Bürger durfte die Wahlmänner stellen, wobei es dem Prévôt und den Schöffen oblag, sich ihre Wähler selbst auszusuchen. Somit konnten sie den Ausgang der Wahl maßgeblich beeinflussen. Faktisch bedeutete dies, dass sich reiche und adlige Familien durch dieses Wahlverfahren gegenseitig stützten und die Wahlen zu ihrem Vorteil nutzten.
Aufstand gegen den Adel
Im Spätmittelalter versuchte einer dieser Prévôts, Étienne Marcel, gegen die Adelsherrschaft eine größere politische Autonomie der Stadt durchzusetzen. Er installierte ein System, mittels dessen die Finanzen kontrolliert werden konnten, und entließ korrupte Beamte. Hatte er zunächst noch den Thronfolger auf seiner Seite, so änderte dieser jedoch bald seine Haltung. Marcel organisierte sodann im Jahre 1358 einen bewaffneten Aufstand und übernahm die Alleinherrschaft in Paris. Ein Mitglied des Stadtrats erschlug ihn daraufhin, nahm der Bewegung damit den Anführer und schwächte die radikalen Kräfte derartig, dass sich Paris wieder der Königsherrschaft unterwarf.
Paris als wirtschaftliche und kulturelle Metropole
Der wirtschaftliche Erfolg der Stadt führte auch zur kulturellen Blüte. Paris setzte Maßstäbe nicht allein wegen seiner Größe, sondern auch wegen seiner kulturellen Leistungen, woraus sich wohl auch das Selbstbewusstsein seiner Bewohner ableitete. Paris galt als Hauptstadt des europäischen Mittelalters, als Zentrum von Kultur und Wissenschaft und war als bunte, abwechslungsreiche und lebendige Metropole überaus beliebt. Die Märkte, auf denen die vielfältigen Waren feilgeboten wurden, waren nicht nur geschätzte Einkaufsorte, sondern dienten auch der Kommunikation. Hier tauschten die Menschen Waren gegen Geld und umgekehrt sowie auch Informationen und Neuigkeiten aus. Auch für kurzweilige Unterhaltung war gesorgt. Neben den Händlern tummelten sich Schausteller und Gaukler, die die Marktbesucher mit kleinen Kunststückchen erfreuten. Doch auch eher zweifelhafte Existenzen zog Paris magisch an. Die Kriminalitätsrate der Stadt war außerordentlich hoch. Zahlreiche Diebe übten dort ihr Handwerk aus, viele von ihnen waren in Banden organisiert. Als beliebtestes Viertel für Langfinger galt das Quartier latin, da hier Kirchenrecht herrschte. Wurde ein Dieb in diesem Viertel auf frischer Tat ertappt, konnte er durchaus mit milderen Strafen rechnen als unter weltlicher Gerichtsbarkeit. Ebenso hoch wie die Zahl der Diebe war die der Prostituierten. Sie konzentrierten sich in den zwanzig Bordellstraßen, die die Stadt durchzogen und in den öffentlichen Badestuben, in denen sie ebenfalls käufliche Liebe anboten.
Soziale Ungleichheit
Die Schere zwischen Arm und Reich klaffte in Paris während der gesamten Epoche des Mittelalters weit auseinander. Während es dem Adel und den reichen Bürgern an nichts fehlte, hatten die unteren sozialen Schichten häufig große Mühe, ihre nackte Existenz zu sichern. Zu diesen gehörten die einfachen Arbeiter wie beispielsweise die Tagelöhner. Sie unterlagen dem Gesetz von Angebot und Nachfrage und lebten – auch aufgrund ihrer hohen Zahl – von der Hand in den Mund. Die vielen Bettler gehörten ebenfalls zum Stadtbild von Paris. Sie waren nicht nur zahlreich, sondern ebenso wie die Kaufleute in Gilden organisiert. Beliebte Orte für ihre Aktivitäten stellten die Plätze vor Kirchen dar. Als Erfolg versprechender Zeitpunkt galt der Sonntag, wenn die Gläubigen nach der Messe mildtätig gestimmt und geneigt waren, die Armen in der Annahme, damit für ihr eigenes Seelenheil zu sorgen, mit einer Gabe zu bedenken.
Schattenseiten der Metropole
Feuersbrünste suchten die Stadt mehrfach heim, was begünstigt wurde durch die dicht gedrängt stehenden Häuser, die überwiegend aus Holz gebaut waren. Die Angehörigen der unteren Schichten lebten in beengten Wohnverhältnissen, häufig mitsamt der ganzen Großfamilie und Nutztieren wie Hühnern auf nur wenigen Quadratmetern. Die Schattenseiten des Ballungsraums Paris zeigten sich nicht zuletzt darin, dass die Stadt berüchtigt war für ihren Gestank. Unrat und Müll wie beispielsweise verdorbene Speisereste wurden einfach aus den Fenstern auf die Straßen gekippt, ebenso wie der Inhalt der Nachttöpfe, die als Toiletten dienten. Schweine liefen durch die Gassen und durchwühlten den Unrat nach Futter. Die mangelnde Abwasserentsorgung und Müllansammlungen lockten auch Ratten ebenso zahlreich in die Metropole wie Menschen. Unzureichende Hygiene und Unkenntnis der gesundheitsgefährdenden Zusammenhänge führten häufig zu epidemieartigen Verläufen von Krankheiten. Im Jahre 1346 brach in Paris die Pest aus, forderte viele Opfer und dezimierte die Anzahl der Einwohner der Stadt deutlich.
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Private oder auch stille Messen hielten die Priester ohne besondere Feierlichkeit ab. Öffentliche Messen dagegen wurden festlich gestaltet und zumeist musikalisch mit Gesang begleitet. |
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