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Historische Voraussetzungen der Kreuzzugsbewegung

Am Ende des 11. Jahrhunderts unterschied sich das geografische Weltbild nur unwesentlich von dem der Antike. Der Lebensraum des größten Teils der mittelalterlichen Bevölkerung hielt sich in engen Grenzen, woraus unter anderem ein beschränkter geografischer Horizont resultierte. Nur wenigen Gebildeten, in der Regel Klerikern, waren Raumvorstellungen geläufig, die sie aus gezeichneten Weltkarten ableiteten. Diese Karten stimmten jedoch mit den tatsächlichen geografischen Gegebenheiten kaum überein, sondern zeigten sich geprägt durch das theologische, mythische und historische Weltbild. Vorstellungen wie Europa, Orient oder Abendland spielten kaum eine Rolle. Vor diesem Hintergrund muss die Kreuzzugsbewegung gesehen werden. Die folgenden historischen Gegebenheiten werden heute als Basis dieser Bewegung eingestuft: die islamische Eroberungswelle nach dem Tod Mohammeds, die byzantinische Krise und die Spaltung der Kirche in die römisch-katholischen und griechisch orthodoxen Glaubensrichtungen.

Drei islamische Machtzentren

Die islamische Eroberungswelle, die unmittelbar nach dem Tod Mohammeds eingesetzt hatte, dehnte das arabische Reich bis zum Beginn des ersten Kreuzzugs vom indischen Subkontinent im Osten bis zur Straße von Gibraltar im Westen aus. Abgesehen von der Iberischen Halbinsel und von Sizilien galt das Mittelmeer als Trennungslinie zwischen Islam und Christentum. Nur relativ kurze Zeit war das islamische Reich unter arabischer Führung geeint. So führte unter anderem das Vordringen der Türken aus Mittelasien nach Westen zu einer Zersplitterung. Vor dem Beginn der Kreuzzüge gab es im Wesentlichen drei große islamische Machtsphären. Im Westen lag das Reich der berberischen Almoraviden, das den westlichen Maghreb und das islamische Spanien umfasste. Daran grenzte östlich das Herrschaftsgebiet der Fatimiden an. Diese arabische Dynastie hatte ihr Machtzentrum in Kairo, Teile des Maghreb, Tunesien und Ägypten bildeten ihr Reich. Ganz im Osten saßen die Seldschuken, deren Herrschaftsgebiet mit dem Zentrum im Iran vom Aralsee bis zum Roten Meer reichte. Die arabische Welt zeigte sich auch in Glaubensfragen nicht vereint. Die meisten Muslime zählten zu den Sunniten. Der zweiten großen Glaubensrichtung des Islam gehörten die Schiiten an. Innerhalb der arabischen Welt waren die Fehden dieser beiden großen Glaubensrichtungen des Islam lange Zeit von wesentlich größerer Bedeutung als die Auseinandersetzungen mit den Christen.

Byzanz

Von der Mitte des 9. bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts erlebte das Byzantinische Reich eine Blütezeit. Während der Herrschaftszeit der makedonischen Dynastie (876 bis 1056) gelang die Rückeroberung verlorengegangener Gebiete. Unter der Ägide von Kaiser Basileus II. (976 bis 1025) zeigte sich das Reich auf dem Höhepunkt seiner Machtentfaltung und kulturellen Blüte. So überstrahlte der byzantinische Hof alle Höfe und Zentren der lateinischen Welt bei Weitem. In der Folge traten jedoch mehr und mehr die Probleme des Reichs zutage. Die alte Wehrverfassung von Byzanz erwies sich als ungeeignet für die großen militärischen Vorhaben der makedonischen Dynastie und die Kaiser mussten vermehrt auf Söldner zurückgreifen. Die wachsende Macht des regionalen Adels wurde zu einer Gefahr, da dieser nach dem Tod von Kaiser Basileus II. eine Reihe von Putschversuchen unternahm. An den Ostgrenzen des Reichs bildete sich eine neue Bedrohung in Gestalt der muslimischen Seldschuken heraus. Nachdem diese die byzantinische Armee 1071 bei Matzikert vernichtend geschlagen hatten und dabei Kaiser Romanos IV. (1068 bis 1071) gefangen nehmen konnten, fiel der byzantinische Staat in eine tiefe Krise. Bis zur Machtübernahme des Generals Alexios Komnenos (1081 bis 1118), der später zum Kaiser gekrönt wurde, kam es zu zahlreichen weiteren Putschversuchen und Herrscherwechseln. Komnenos konnte seine Herrschaft auf dem Balkan und in der Ägäis behaupten, den Seldschuken und den Normannen, die seinen Herrschaftsbereich bedrohten, hatte er wenig entgegenzusetzen.

Die Kirche

Das Christentum war in den lateinischen Westen mit dem kirchlichen Zentrum Rom und den griechischen Osten mit dem Hauptsitz Konstantinopel/Byzanz unterteilt. Die beiden Bereiche unterschieden sich sowohl kulturell als auch sprachlich stark voneinander, was sich beispielsweise in der jeweils anders gehandhabten Liturgie zeigte. Die beiden großen christlichen Kirchen erfuhren in der Mitte des 11. Jahrhunderts eine Konsolidierung. Die griechisch-orthodoxe Kirche wurde nicht mehr durch theologische Auseinandersetzungen entzweit. Sie erhielt zudem Machtzuwachs und neues Selbstbewusstsein durch die Missionierung der Bulgaren und Russen. Durch die gregorianische Reform entwickelte die Kirche im Westen ein neues Selbstverständnis, das sich speziell für das Papsttum als bedeutend erweisen sollte. So beabsichtigte die christliche Reformbewegung die Rückführung der Kirche zur ursprünglichen Reinheit der Urkirche. Der Einfluss von Laien sollte zurückgedrängt und Rom zu einem zentralen Regierungsorgan der gesamten Kirche erhoben werden. Es ging um die Freiheit des Papsttums, das sich von der Überwachung der Kaiser als traditionelle Beschützer emanzipieren wollte. Der Papst sah sich in der Tradition der christlich-römischen Kaiser als oberster Herr der Christenheit über Reiche und Völker und deren weltliche Herrscher stehen.

Entfremdung der beiden christlichen Kirchen

Die Interessen beider Kirchen ließen sich kaum miteinander in Einklang bringen. Bei einem Streit um kirchenpolitische, liturgische und theologische Fragen während eines Treffens zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und einem Vertreter des Papstes 1054 exkommunizierten diese sich gegenseitig. Dieses Faktum führte zur weiteren Entfremdung der beiden christlichen Kirchen. Darüber hinaus erwiesen sich die politischen Beziehungen zwischen dem lateinischen Westen und dem griechischen Osten als äußerst instabil.

Mehrheit der Kreuzfahrer aus früherem Karolingerreich

Das alte Karolingerreich, das unter Karl dem Großen von der Elbe bis zu den Pyrenäen reichte, hatte sich seit dem 10. Jahrhundert hauptsächlich in zwei Herrschaftsbereiche aufgespalten. So entwickelte sich aus dem Ostfrankenreich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und aus dem Westfrankenreich Frankreich. Aus dem ursprünglichen Karolingerreich stammte das Gros der späteren Kreuzfahrer. Die Beteiligung von Kontingenten aus anderen Ländern wie etwa aus England führte dazu, dass sich die Gesamtheit der Kreuzfahrer nicht als Einheit im Sinne von landsmannschaftlich zusammengehörend empfand. Dagegen nahmen die Muslime die Kreuzfahrer sehr wohl als Gemeinschaft wahr und ließen ihnen eine eigene Bezeichnung zukommen: Franken.

Das Verhältnis der Religionen zueinander vor Beginn der Kreuzzugsbewegung

Vor Beginn der Kreuzzugsbewegung war das Bild der Christen vom Islam hauptsächlich von Verzerrungen, Vorurteilen, Unkenntnis oder einfach von Desinteresse gekennzeichnet. Im lateinischen Westen gab es keine gegen den Islam gerichtete Ideologie, die große Menschenmassen für einen militärischen Konflikt mit dem Islam hätte begeistern können. Auf der anderen Seite sah es kaum anders aus. Der Islam stufte die heilsgeschichtliche Bedeutung des Christentums zwar als Vorgängerreligion ein, aber für die Muslime hatte das Christentum wenig zu bieten, da es durch die Lehren des Propheten als überholt galt. In der geografischen Wahrnehmung des Islam lagen die christlichen Herrschaften an der Grenze und damit außerhalb ihres unmittelbaren Blickfeldes. Innerhalb ihres Herrschaftsgebiets hatten die Muslime regelmäßig direkten Kontakt zu den orientalischen und griechischen Christen. Sie zeigten aber wenig Interesse an den Inhalten der anderen Religion und wussten dementsprechend wenig darüber.

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