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Die zweite Welle des ersten Kreuzzugs

Die Heere, die sich im August 1096 in Bewegung setzten und die zweite Welle des ersten Kreuzzugs bildeten, unterschieden sich grundlegend von den ungeordneten Massen in den Volkskreuzzügen, die als erste Welle ins Feld gezogen waren. Auch in den Heeren der zweiten Welle beteiligten sich Frauen und Kinder, Bauern und Kleriker, doch hoben sie sich in ihrer Zusammensetzung durch den höheren Anteil an Rittern unter den Kämpfern deutlich ab. Hochrangige und kriegserfahrene Adlige führten die Heere an, sodass diese einen deutlich höheren Organisationsgrad aufwiesen. Fünf große Heere waren dabei von Bedeutung. Zu diesen zählten die süditalienischen Normannen unter Führung von Bohemund von Tarent. Ein Kontingent aus Lothringen unter dem Befehl von Gottfried von Bouillon bildete das zweite Heer. Normannische und flämische Gefolgschaften des Herzogs Robert II. von der Normandie und des Grafen Robert II. von Flandern gehörten zum dritten Heer. Das vierte Heer stand unter dem Befehl des Grafen Hugo von Vermandois, einem Bruder des französischen Königs Philipp II. Das zahlenmäßig größte Heer setzte sich aus West- und Südfranzosen unter der Führung von Graf Raimund IV. von Toulouse zusammen.

Byzantinischer Kaiser und Kreuzfahrer: gegenseitiger Treueeid

Nach Abschluss aller Vorbereitungen zogen diese fünf Heere getrennt in Richtung Konstantinopel. Der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos hatte jedoch auf ein eher kleines Söldnerheer aus dem Westen gehofft, das ihm beistehen sollte. So stand er der Vielzahl an Kreuzfahrern mit einer gehörigen Portion Misstrauen gegenüber. Er verlangte und erhielt für seine Unterstützung von den Anführern der Heere einen Treueeid, der die Kreuzfahrer zum Frieden mit den Byzantinern und zur Rückgabe aller auf dem Weg ins Heilige Land zurückeroberten Gebiete an Byzanz verpflichten sollte. Gleichzeitig leistete der Kaiser ebenfalls den Treueeid gegenüber den Kreuzfahrern.

Hohe Verluste in Anatolien

Im Mai 1097 hatten alle Kreuzzugsheere den Bosporus überquert und machten sich auf den Weg ins Heilige Land. Kaiser Alexios stellte den Kreuzfahrern einige Hilfstruppen zur Verfügung. In einer gemeinsamen Aktion mit der byzantinischen Flotte wurde die Stadt Nikäa eingenommen. Die Kreuzfahrer besiegten das Heer des seldschukischen Sultans Quilig Arslan (1092 bis 1107) dabei zweimal in offener Feldschlacht. Die nächste Begegnung mit den Seldschuken folgte am 1. Juli 1097. Bei Doryläum schlugen die Kreuzfahrer erneut ein Heer des Sultans. Danach lag ihnen der Weg durch Anatolien offen. Ungewohnte Hitze und Durst waren die größten Gefahren, denen sich die Kreuzfahrer in diesem Landstrich stellen mussten. Die Chronisten berichten von vielen Toten und verendeten Reit- und Lastpferden.

Bruch des Treueeids durch den byzantinischen Kaiser

Im Oktober 1097 trafen die Kreuzfahrer vor der stark befestigten Stadt Antiochia ein. Die Anführer der erschöpften und stark dezimierten Truppen beschlossen, die Stadt zu belagern. Bis Juni 1098 währte die Belagerung der Stadt. In dieser Zeit fielen viele Kreuzfahrer Krankheiten, dem allgemeinen Nahrungsmangel und dem strengen Winter zum Opfer. Als bekannt wurde, dass ein großes Heer unter Kerboga, dem Herrscher von Mosul, zur Unterstützung der Belagerten unterwegs war, befürchteten die Kreuzfahrer, vor den Toren Antiochias vernichtet zu werden. Ihr Kontingent wurde durch Desertationen weiter dezimiert, andere Kämpfer schoben Gründe für eine Heimkehr vor. Zu diesen zählte Graf Stephan von Blois, der auf dem Rückweg auf ein byzantinisches Heer unter Kaiser Alexios traf. Nach Aussage des Chronisten Albert von Aachen beschrieb der Graf dem Kaiser die Lage der Kreuzfahrer als so hoffnungslos, dass dieser wenig Sinn darin sah, seinen Feldzug fortzusetzen. Die Kreuzfahrer stuften den Rückzug des Kaisers jedoch als Verrat und als Bruch des geleisteten Treueeids ein.

Reliquienfund als Auftrieb für das Heer

Bevor Kerbogas Heer vor Antiochia eintraf, gelang es Bohemund von Tarent, antiochische Christen zu überreden, den Kreuzfahrern Zugang zur Stadt zu gewähren. Die Stadt fiel am 3. Juni 1098. Das Erscheinen des Heeres aus Mosul ließ die vormaligen Belagerer kurze Zeit später zu Belagerten werden. Nachdem einer der Kreuzfahrer eine diesbezügliche Vision hatte, wurde in der Peterskirche von Antiochia die „Heilige Lanze“ gefunden, mit der laut Evangelium Christus am Kreuz die Seite geöffnet worden war. Der Fund der Reliquie bewirkte, dass sich die Moral der Kreuzfahrer und ihr Kampfgeist wieder stärkten, sodass sie einen Ausfall aus der belagerten Stadt wagten und das Heer Kerbogas am 28. Juni 1098 besiegten. Bis zum 13. Januar blieben die Kreuzfahrer in Antiochia, ehe sie weiter in Richtung Jerusalem zogen. Bohemund von Tarent setzte sich über das Versprechen an Kaiser Alexios hinweg und nahm die Stadt und das Umland in eigenen Besitz. Am weiteren Kreuzzug nach Jerusalem beteiligte er sich nicht mehr.

Einnahme von Jerusalem

Der Weg der Kreuzfahrer durch Syrien und Palästina verlief relativ problemlos. Die kleinen muslimischen Herrschaften widersetzten sich ihrem Vormarsch nicht, solange die Kreuzfahrer versprachen, sie nicht zu behelligen. Viele stellten Vorräte oder finanzielle Hilfe im Gegenzug für zugesicherten Frieden zur Verfügung, sodass sie nichts zu befürchten hatten. Die Kreuzfahrer erblickten Jerusalem am 7. Juni 1099. Die Stadt erwies sich als gut befestigt und war nicht bereit, zu kapitulieren. Um einen Verrat wie in Antiochia zu verhindern, waren alle Christen zuvor aus der Stadt ausgewiesen worden. Ein erster Angriff auf die Stadt am 13. Juni schlug fehl. Zum Glück der Kreuzfahrer trafen Schiffe aus Genua und England in Jaffa ein. Die von den Schiffen mitgeführten Materialien ermöglichten ihnen den Bau von Belagerungstürmen. Einem Teil der Truppe gelang es mithilfe dieser Türme am 15. Juli, die Stadtmauer zu überwinden und die Stadt für die restlichen Krieger zu öffnen. Danach richteten die Kreuzfahrer ein furchtbares Massaker unter der verbliebenen muslimischen und jüdischen Bevölkerung an und töteten nahezu sämtliche Bewohner. Diese Taten riefen in der islamischen und jüdischen Welt großes Entsetzen hervor und gruben sich tief in deren Erinnerung ein. Es muss allerdings festgehalten werden, dass sich dieses Massaker durchaus in die militärischen Gepflogenheiten jener Zeit einordnen lässt. Die Verteidiger Jerusalems hatten einer Kapitulation nicht zugestimmt und konnten daher nicht mit Erbarmen rechnen. Die Schilderungen der arabischen Chronisten dienten später dazu, das vergleichbare Verhalten der Muslime bei der Zerstörung des Königsreichs Jerusalem 1291 zu rechtfertigen.

Angriff der Fatimiden

Nach der Eroberung der Stadt wurde Gottfried von Bouillon die Königswürde über Jerusalem angetragen. Dieser lehnte jedoch ab, da er an dem Ort, an dem Jesus die Dornenkrone getragen hatte, keine goldene Krone tragen wollte. Mit Arnulf von Chocques, dem Kaplan Roberts von der Normandie, wählten die Kreuzfahrer nun einen geistlichen Führer als Oberhaupt von Jerusalem. Lange blieben die Sieger allerdings nicht unbehelligt. Der fatimidische Wesir al-Afdal rückte mit einem großen Heer an. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit konnten die Kreuzfahrer seine Truppen bei Askalon vernichtend besiegen.

Gründung der vier Kreuzfahrerstaaten

Nach der erfolgreichen Schlacht bei Askalon sahen die meisten der Kreuzfahrer ihr Gelübde als erfüllt an und machten sich auf den Rückweg in ihre Heimat. Nur eine kleine Minderheit blieb im Land zurück. Nach dem Tod Gottfrieds im Jahr 1100 trat sein Bruder Balduin von Bologne seine Nachfolge an. Als Balduin I. übernahm er als erster Herrscher die Königswürde in Jerusalem. Neben dem Königreich Jerusalem entstanden drei weitere unabhängige Territorien, die gemeinhin Kreuzfahrerstaaten genannt wurden: Antiochia, Edessa und Tripolis. Bohemund von Tarent baute seine Herrschaft über Antiochia zum Fürstentum aus. Noch vor der Eroberung Antiochias hatte der jetzige König Balduin I. mit der Grafschaft Edessa die erste Kreuzfahrerherrschaft gegründet. Er hatte unabhängig vom Hauptheer in einem hauptsächlich von armenischen Christen bewohnten Gebiet mit einem eigenen Kontingent an Rittern einige lokale Machthaber besiegt und die wenigen seldschukischen Truppen vertrieben. Das Gebiet zwischen dem Königreich Jerusalem und dem Fürstentum Antiochia wurde bis zum Jahr 1109 erobert (1102 die Hafenstadt Tortosa, 1109 Tripolis). Die Nachfolger des Grafen Raimund von Toulouse sicherten sich die Herrschaft über die Grafschaft Tripolis.

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