Magie im Mittelalter
Das Mittelalter stand wie keine andere geschichtliche Epoche unter dem Einfluss der Magie. Magische Vorstellungen zeigten sich im Glauben an eine von Geistern beseelte Natur, deren okkulte Kräfte mittels diverser Praktiken nutzbar gemacht werden sollten. Mit der sukzessiven Verdrängung der alten Kulte im Zuge der Christianisierung verschoben sich Bestandteile der ehemals kultischen Handlungen, lebten in der Magie fort und wurden um neue Aspekte ergänzt. Die Idee der Magie war tief in allen gesellschaftlichen Schichten verwurzelt, wurde jedoch seitens des Klerus und des Adels heftig bekämpft, obwohl auch dort magische Handlungen gang und gäbe waren.
Ursprung des Begriffs Magie
Der Begriff „Magie“ leitet sich vom Stammesnamen der Magier ab, die im antiken Persien die Priesterkaste bildeten. Zu ihren Betätigungsfeldern gehörten die okkulten Wissenschaften, die von keiner anderen gesellschaftlichen Gruppe in so ausgedehnter Form erforscht wurden. Ihre Kenntnisse nutzten sie bei magischen Ritualen, um Krankheiten zu behandeln, betrieben jedoch auch Astrologie und Wahrsagerei. Einige dieser Priester siedelten sich etwa ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. im Mittelmeerraum an, sodass die Griechen und Römer nun ebenfalls mit der Magie in Berührung kamen. Im Zusammenhang mit der fortschreitenden Christianisierung im Frühmittelalter verdammte der Klerus Magie als dämonische Kunst, die man mit allen Mitteln zu unterbinden suchte, da sie einen Pakt mit dem Teufel beinhalten sollte. Mehr dazu...
Schwarze und weiße Magie
Der weißen oder natürlichen Magie, mit der die okkulten Kräfte der Natur genutzt werden sollten, stand die schwarze oder dämonische Magie gegenüber, deren Zielsetzung darin lag, dem Opfer des magischen Anschlags einen materiellen oder immateriellen Schaden zuzufügen. Zur natürlichen Magie zählte beispielsweise die Kräutermedizin des einfachen Volkes. Allerdings zeigte sich bei der Zubereitung und in der Anwendung der Arzneien hier häufig eine Verquickung mit magischem Beiwerk. Als schwarze oder dämonische Magie wurde jede Zauberei betrachtet, da die Ansicht vorherrschte, dass sich der Magier bei der Ausführung des Rituals mit Dämonen verband, die letztlich ursächlich dafür verantwortlich sein sollten, dass der Zauber wirkte. Insbesondere die schwarze Magie wurde als ketzerisch und verwerflich gebrandmarkt und konnte schwere Strafen nach sich ziehen, wenn es zu einer Anklage vor Gericht kam. Mehr dazu...
Gebete, Segenssprüche und Beschwörungen
Die Praktiken des „Besprechens“ lassen sich grob in drei Grundtypen unterteilen. Zum ersten Typ gehörten die Gebete. Sie waren formale, an Gott, Christus, die heilige Jungfrau Maria oder an andere Heilige gerichtete Bitten. Zum zweiten Typ zählten die Segenssprüche, die zumeist Wünsche zur Genesung für einen Kranken beinhalteten. Den dritten Typ bildeten die Beschwörungen, die in Befehlsform gesprochen wurden und sich an die Krankheit selbst oder einen Dämon als ihren Verursacher wendeten. Alle drei Grundtypen wiesen die Gemeinsamkeit auf, dass sie oft mit magischem Beiwerk umgeben waren. So sollte beispielsweise ein Gebet verstärkt werden, indem es auf fünf Oblaten geschrieben wurde, die der Patient barfuß verzehren musste. An sich zeigen Gebete und Segenssprüche jedoch nichts Magisches. Anders verhält es sich mit den Beschwörungen. Sie bezogen zwar häufig die Anrufung heiliger Personen oder Gegenstände wie das Kreuz Christi sowie heilige Ereignisse mit ein, richteten sich aber grundsätzlich an einen oder mehrere Dämonen. In der Regel dienten sie zur Behandlung von geistig und körperlich Kranken, bei denen ein Dämon als Verursacher ihrer Leiden galt. Beschwörungen wurden manchmal auf andere Kontexte ausgedehnt und beispielsweise gegen feindliche Soldaten und Diebe eingesetzt.
Magische Edelsteine
Edelsteinen wurden vielfältige magische Kräfte zugeschrieben. Aufgrund ihrer Kostbarkeit waren sie jedoch nur einem recht kleinen Kreis von Personen zugänglich. Überlieferte Dokumente über Edelsteine mit magischen Eigenschaften sind zumeist Inventarlisten von Schatzkammern der Adelshöfe oder die sogenannten Lapidarien, in denen die wundersamen Wirkungen schriftlich fixiert wurden. Bezüglich der Zuordnung der Edelsteine zeigte sich die Gesellschaft gespalten. Während selbst große Teile des Klerus sie zur natürlichen Magie zählten, gab es andere Stimmen, die sie im Bereich der schwarzen Magie verorteten. Mehr dazu...
Amulette und Talismane
Die Funktion von Amuletten und Talismanen lag im Wesentlichen im Schutz des Trägers vor Angriffen sichtbarer und unsichtbarer Feinde. Während Heilmittel aus tierischen und pflanzlichen Bestandteilen sowie Beschwörungsformeln gegen physische Beeinträchtigungen eingesetzt wurden, zielten Amulette und Talismane auf den Schutz der Seele und des Geistes. Ihre Wirkung entfalteten diese magischen Gegenstände schon allein durch die Nähe zu ihrem Träger. So erwartete der Mensch des Mittelalters, dass okkulte Kräfte ihn zuverlässig schützten, wenn Amulette und Talismane auf der Haut oder an der Kleidung getragen wurden. Die Materialien waren in der Regel ebenfalls pflanzlichen oder tierischen Ursprungs und unterschieden sich nur selten von anderen magischen Mitteln.
Amulette
Die Liste der verschiedenen Amulette mit ihren diversen Wirkungen ist schier unendlich. Eine um den linken Arm gebundene Hasenpfote versprach beispielsweise Sicherheit vor drohender Gefahr. Ein Rosmarinzweig, der über der Haustür angebracht war, sollte Giftschlangen abschrecken. Trug ein Mensch einen solchen Zweig bei sich, herrschte der Glaube vor, dass dieser dadurch vor bösen Geistern geschützt sei. Borretsch, unter dem Sternbild Jungfrau gepflückt, musste zusammen mit einem Wolfszahn in Lorbeerblätter eingewickelt werden und sollte dann übler Nachrede entgegenwirken. Amulette wurden allerdings auch benutzt, wenn anderen Personen ein Schaden zugefügt werden sollte. So vergrub man etwa unter der Türschwelle eines Feindes tote Tiere, um eine Wende zum Schlechten in dessen Leben zu verursachen.
Talismane
Talismane ähnelten Amuletten hinsichtlich ihrer Verwendungsweise und ihres Zwecks. Sie werden von der Forschung jedoch als eigene Klasse magischer Mittel eingestuft, da sie sich zusätzlich der Schrift bedienten. Ihre magische Potenz bezogen sie aus einzelnen Buchstaben oder Wörtern, die in die Talismane eingeritzt wurden. So herrschte selbst bei angesehenen Medizinern der Glaube vor, dass epileptische Anfälle verhindert werden könnten, indem der Patient stets ein Stück Pergament bei sich trägt, auf dem die Namen der Heiligen Drei Könige geschrieben stehen. Ebenfalls weitverbreitet war ein magisches Ritual, bei dem die Abschrift einer Reihe von scheinbar willkürlichen Buchstaben am Körper getragen werden musste. Eine solche Buchstabenfolge – befestigt unter der rechten Fußsohle – sollte bewirken, dass Menschen nichts Schlechtes über den Träger sagen konnten. Eine andere Buchstabenfolge, in der linken Hand gehalten, sollte Wohltäter günstig stimmen.
Magie in der Medizin: Kräuter und Tiere
Die Medizin des Mittelalters und ihre therapeutischen Maßnahmen waren in hohem Maße durchsetzt von Vorstellungen magischer Heilkräfte, die Pflanzen und Tieren innewohnen sollten. Die Zuordnung des Okkulten zum Bereich des Magischen wurde jedoch allein schon aufgrund des damaligen Forschungsstands der Naturwissenschaften vorgenommen. Analog dazu spielten magische Rituale bei Heilungszeremonien eine wesentliche Rolle. Sie wurden nicht nur von Heilern und kräuterkundigen Frauen durchgeführt, sondern auch von angesehenen Ärzten, die über eine universitäre Ausbildung verfügten. Dabei zeigten sich sowohl die Personen, die sich mit der Heilung von Krankheiten beschäftigten, als auch die Patienten selbst weniger daran interessiert, warum ein Mittel half. Wichtig war lediglich, dass es die gewünschte Wirkung zeigte. Mehr dazu...
Schadenszauber und Liebeszauber
Alle Formen der Zauberei zählten zur schwarzen Magie, weil die Annahme vorherrschte, dass die Magier bestimmte Wirkungen nur mittels der Nutzung dämonischer Kräfte erzielen konnten. Kennzeichnend für jede Zauberei war zum einen, dass sie vor den Adressaten der magischen Rituale geheim gehalten werden musste, da man glaubte, dass die Magie ansonsten nicht ihre volle Kraft zu entfalten vermochte. Zum anderen zeigten sich bei den verschiedenen Techniken insofern Übereinstimmungen, als die Rituale zumeist mit dem Sprechen magischer Beschwörungsformeln einhergingen. Zum ausgedehnten Bereich des Schadenszaubers, der ausgeführt wurde, um eine Person in eine nachteilige Lage zu versetzen, gehörte der Liebeszauber. Beide Formen dieser Zauberei wurden seitens der geistlichen und weltlichen Obrigkeit streng verfolgt und bestraft, wobei ein durchgeführter Liebeszauber unter bestimmten Umständen mildere Richter fand. Mehr dazu...
Wahrsagerei
Wahrsagerei galt ebenfalls als Zauberei, die demgemäß der schwarzen Magie zugeordnet wurde. Es herrschte jedoch sowohl im einfachen Volk als auch bei den höheren Ständen eine starke Hinwendung zu magischen Praktiken wie etwa der Erstellung von Horoskopen mittels der Astrologie. Der Adel bediente sich dabei der Hofastrologen, die häufig eine einflussreiche Stellung innehatten und etwa für Schlachten oder Hochzeiten günstige Sternenkonstellationen berechneten. Darüber hinaus gab es vielfältige weitere magische Rituale zur Zukunftsdeutung wie etwa das Lesen der Handlinien, das sich vor allem beim einfachen Volk hoher Beliebtheit erfreute. Der Unterschied zwischen der Wahrsagerei und anderen Formen der Magie lag vor allem darin, dass das Betätigungsfeld Ersterer in der Deutung von Ereignissen und der Vorhersage zukünftiger Geschehnisse lag, während jede andere Magie die Zukunft zu beeinflussen suchte.
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