Die rechtliche Stellung der Frau
Während des gesamten Zeitraums des Mittelalters existierten zwei verschiedene Rechtsprinzipien, auf denen die Rechtsprechung basierte. Diese waren das kanonische Recht, das auf dem römischen Recht fußte, und das weltliche Recht, das noch im Hochmittelalter auf germanisches Stammesrecht zurückging. Sowohl das kanonische als auch das weltliche Recht stellte die Frau unter die Vormundschaft des Mannes. Ihre Geschlechtszugehörigkeit bedeutete für die weiblichen Mitglieder aller Stände massive Benachteiligungen.
Römisches Recht
Das römische Recht der Spätantike sprach der Frau im Hinblick auf ihre eigene Person und ihr Vermögen im Wesentlichen die gleiche Rechtsstellung zu wie dem Mann. Eine Tochter konnte – ebenso wie ein Sohn – bereits ein eigenes Vermögen haben. Des Weiteren konnte sie durch ihren Vater für selbstständig erklärt werden und damit aus der väterlichen Gewalt entlassen werden. Im Todesfall des Vaters wurde die Frau ebenfalls mit der Zuerkennung des Status „Sui Iuris“ rechtlich selbstständig und beerbte ihn gleichberechtigt. Die Frau konnte nun ihr eigenes Vermögen verwalten und sowohl zu ihren Lebzeiten als auch posthum mittels eines Testaments frei darüber verfügen. Die Vormundschaft über erwachsene Frauen gab es ab dem 4. Jahrhundert nicht mehr.
Ehe- und Familienrecht
Entscheidungsfreiheit bezüglich der Wahl des Ehepartners wurde der Frau grundsätzlich eingeräumt, jedoch benötigte sie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres die Zustimmung der Familie. Für Witwen und geschiedene Frauen galt eine festgelegte Wartezeit, bevor sie erneut eine Ehe eingehen konnten. Diese Frist unterlag allerdings einem Wandel. So sind Zeiträume von nur wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren dokumentiert. Eine verwitwete Mutter konnte die Vormundschaft über ihre Kinder beantragen, solange sie nicht wieder heiratete. Eine Adoption von Kindern durch Frauen bedurfte einer besonderen Genehmigung, die jedoch nur selten erteilt wurde. Mit dem Status als Ehefrau waren keine besonderen Rechtspflichten verknüpft und auch an ihrer selbstständigen Vermögensverwaltung änderte sich nichts. Allerdings unterlag die Frau bestimmten Benachteiligungen bezüglich der Entscheidungsbefugnisse bei der Erziehung und der Verwaltung des Vermögens der Kinder, denn hier lagen alle Rechte beim Mann. Solange die Ehe bestand, hatte der Mann das Recht, die Mitgift der Frau, die ihm aufgrund der Eheschließung zufiel, in seinem Sinne zu verwalten und zu nutzen. Eine Frau konnte ebenso wie ein Mann die Eheauflösung betreiben, doch sind die Fälle, in denen ihr dies ohne massive Rechtsnachteile möglich war, äußerst begrenzt. Ein Delikt, das als Grund für einen Scheidungswunsch akzeptiert wurde, war der Ehebruch, dessen besondere Sprengkraft darin lag, dass er für beide Ehepartner als Scheidungsgrund zulässig war, einen Straftatbestand allerdings nur dann darstellte, wenn er von der Frau begangen wurde.
Geschäftsfähigkeit der Frau
Auch hinsichtlich ihrer Stellung im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben hatten die Frauen Einschränkungen hinzunehmen. So war es ihnen etwa verboten, sich im Interesse Dritter zu verpflichten. Dazu zählten Bürgschaften, befreiende Schuldübernahme, Schuldbeitritt, Verpfändung und Aufnahme von Darlehen. Diesen Verboten lag die Einschätzung der Frauen als in rechtlichen Angelegenheiten unerfahren zugrunde, ein Status, den auch Bauern und Soldaten innehatten. Aus dieser Beschränkung erwuchs ihnen jedoch auch ein Vorteil, denn diese Klausel bot in gewisser Weise auch Schutz. Hatte eine Frau beispielsweise aus Unwissenheit für einen Gegenstand aus ihrem Besitz eine zu niedrige Kaufsumme veranschlagt, konnte sie diesen Fehler später mit dem Verweis auf ihre eingeschränkte Geschäftsfähigkeit revidieren und nachträglich eine höhere Summe fordern.
Kanonisches Recht
Die Stellung der Frau innerhalb des kanonischen Rechts war eng mit der allgemeinen, sozio-kulturellen Entwicklung im Mittelalter verknüpft, die zu einer Verschlechterung ihrer Position führte. Vor allem ihre Teilhabe an Ämtern und ihr Status im Bereich der Liturgie waren davon betroffen. Das kanonische Recht sah für Frauen die Möglichkeit der Aufwertung ihrer sozial untergeordneten Rolle im Falle der Eheschließung, der Witwenschaft oder des Lebens als gottgeweihte Jungfrau vor. Insgesamt lehnte sich das Kirchenrecht eng an biblische Vorstellungen an. Eine zentrale Stellung nahm das 1140 verfasste Decretum Gratiani des italienischen Mönchs Gratian ein, das bald als verbindlicher Kodex für die geistliche Gerichtsbarkeit galt. Gratians Belegstellen berücksichtigen insbesondere Texte der Kirchenväter Augustinus, Hieronymus und Ambrosius. Das römische Recht, Paulus und die Pastoralbriefe runden sein Bild von der Frau ab, das vor allem auf die Unterworfenheit der Frau unter den Mann abhebt. Demnach wird der Mann als Haupt der Frau und die Frau als Leib des Mannes betrachtet. Gratian beeinflusste nicht nur die nachfolgenden Generationen der Kirchenrechtler, sondern auch die Theologen wie beispielsweise Thomas von Aquin. Für das Eherecht waren darüber hinaus Burchard von Worms, Ivo von Chartres oder die Bußbücher von Bedeutung.
Vielfältige Beschränkungen für Frauen
Von der Liturgie sowie dem Lehr- und Leitungsdienst waren Frauen fast vollständig ausgeschlossen. Dazu zählten die vielen rechtlichen Einschränkungen wie der Ausschluss von der Weihegewalt, der die Übernahme selbst der unteren Kirchenämter wie etwa die Leitung des Diakonats unmöglich werden ließ. Des Weiteren waren diverse Verbote für die Frauen allgegenwärtig. So war es selbst Äbtissinnen verboten, Jurisdiktionsgewalt auszuüben oder die Beichte abzunehmen. Außerdem war ihnen strengstens untersagt, die heiligen Gefäße und Altartücher zu berühren. Auch die Inzensierung des Altars – das Beräuchern mit Weihrauch – gehörte zu den Verboten. Kirchliche Sanktionen durften ebenfalls nicht von Frauen verhängt werden, was mit der generellen Unfähigkeit der Frau begründet wurde, die Aufgaben eines Richters oder Schiedsmanns angemessen auszuführen. Der Frau war zudem verboten, eine Kriminalanklage zu erheben.
Möglichkeiten der Einflussnahme von Frauen
Der Eintritt in ein Kloster bedeutete die Möglichkeit, geistige und kulturelle Autonomie zu erreichen. Einige wenige Frauen erreichten sogar die Lehr- und Jurisdiktionsgewalt wie etwa die Äbtissinnen von Essen, Göss und Quedlinburg. Diese trugen Stab und Mitra, verliehen Benefizien, übten Autorität aus in Doppelklöstern, denen sowohl Nonnen als auch Mönche angehörten und verfügten über eine nahezu bischöfliche Jurisdiktion, allerdings auch hier ohne Weihegewalt. So konnten die Äbtissinnen beispielsweise eigenständig einen Pfarrer auf Zeit in sein Amt einsetzen. Als eigener Stand zwischen Laien und Ordensangehörigen galten in der Kanonistik des 13. Jahrhunderts die frommen Frauen, die in den Beginenkonventen lebten.
Eherecht
Die Zustimmung des Vaters zur Eheschließung war zu deren Gültigkeit nicht erforderlich. Gleichberechtigung der Geschlechter in der Ehe war faktisch nicht vorgesehen. Eine Ausnahme bildete der Bereich des Intimverhältnisses. So war es einem Partner nicht möglich, ohne die Zustimmung des anderen ein Gelübde zur Enthaltsamkeit abzulegen. Auch war es dem Mann zunächst nicht gestattet, sich ohne Einwilligung seiner Frau an einem Kreuzzug zu beteiligen. Pragmatische Gründe wie der hohe Bedarf an Kreuzrittern führten hier zu einer Veränderung. Der Mann des Spätmittelalters benötigte die Zustimmung der Frau für eine solche Unternehmung nun nicht mehr. Die seitens des Klerus propagierte Vorstellung der Unauflöslichkeit der Ehe ließ nur wenige Gründe für eine Eheauflösung gelten. Dazu zählten beispielsweise Ehebruch, Unfruchtbarkeit und sexuelles Desinteresse am Ehepartner. Während der Ehe teilte die Frau Stand und Wohnsitz des Mannes.
Germanisches und deutsches Recht
Die Frau hatte nach germanischem und älterem deutschen Recht eine wesentlich schwächere Rechtsstellung als der Mann. Im Frühmittelalter war sie von der Teilnahme am Rechtsverkehr fast völlig ausgeschlossen. Auch später war sie in ihren rechtlichen Handlungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt und grundsätzlich der personenrechtlichen Gewalt von männlichen Verwandten oder ihres Ehemannes unterworfen. Die als „Munt“ bezeichnete Vormundschaft unterschied sich jedoch wesentlich von der Herrschaftsgewalt über eine Unfreie und war keineswegs rechtlich schrankenlos. Zusätzlich war die Munt mit der Teilhabe der Frau am rechtlich-sozialen Status des Gewalthabers verbunden. Innerhalb der patriarchalischen Sozialstruktur sicherte sie die Frau allerdings auch gegen Übergriffe Dritter. Eine Frau ohne hinreichende verwandtschaftliche Bindungen konnte in früher Zeit auch unter Königsmunt stehen.
Weisungs- und Strafgewalt des Mannes
Die Rechtsstellung der Frau war insbesondere gekennzeichnet durch die Weisungsgewalt ihres Vormunds, die nach den frühmittelalterlichen Stammesrechten auch die Strafgewalt einschloss. Allerdings konnte der Mann nicht völlig beliebig über die Frau verfügen, sondern musste sich ebenfalls im Rahmen des gültigen Rechts bewegen. Dieses zeigte sich jedoch sehr weit gefasst. So waren dem Mann nicht nur einschneidende Statusveränderungen wie die Verstoßung der Frau erlaubt, sondern in Ausnahmefällen auch ihre Tötung. Diese auf alten Stammesrechten fußende Bestrafung bedurfte jedoch einer als besonders schwerwiegend eingestuften Verfehlung und wurde bereits im Frühmittelalter nur äußerst selten vollzogen. Weitere Rechtsschranken ergaben sich für Verwandte als Gewalthaber beispielsweise aus dem Inzestverbot und für den Ehemann aus seiner vertraglichen Bindung mit den Verwandten der Frau, die mit der Eheschließung in Kraft trat. So bildete etwa grobe Misshandlung der Ehefrau einen Fehdegrund für deren Verwandte. Die Strafmaßnahme musste allerdings als ungerechtfertigt erkannt werden, denn auch schwerste körperliche Züchtigungen galten unter bestimmten Umständen als legitim und waren durch das herrschende Recht gedeckt.
Öffentliches Strafrecht und Erbrecht
In das öffentliche Strafrecht wurde die Frau erst im Verlauf des Mittelalters einbezogen. Aufgrund der zugeschriebenen Prozessunfähigkeit der Frau wurde dem Mann die Einstandspflicht gegenüber Dritten zugewiesen. Daraus folgte, dass Tätigkeiten bei Gericht der Frau wegen ihrer eingeschränkten Rechtsfähigkeit ebenso wenig gestattet waren wie die Übernahme öffentlicher Ämter. Das Erbrecht benachteiligte die Frau ebenfalls in vielerlei Hinsicht. Es schloss sie zwar nicht komplett aus, legte jedoch beispielsweise den Vorrang der Söhne vor den Töchtern fest. Bezüglich der Güterversorgung glich das eheliche Güterrecht die Defizite des Erbrechts zum Teil wieder aus. So konnte eine Frau selbst Vermögen haben und generell auch erbfähig sein, jedoch wurde ihr die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen nicht zuerkannt. Im Laufe des Mittelalters wurden den Frauen allerdings größere Rechte eingeräumt, wobei diese neue Rechtslage faktisch nur vereinzelt zur Anwendung kam.
Familienrecht und Witwenrecht
In weitem Umfang war die Rechtsstellung der Frau abhängig vom Familienstand. Die personenrechtliche Gewalt des Vaters über die unverheiratete Tochter umfasste bis ins Hochmittelalter auch das Verheiratungsrecht, das zumeist jedoch an die Zustimmung der Tochter gekoppelt war. Witwen nahmen innerhalb des Familienrechts eine Sonderstellung ein. Zum einen war ihnen die eigenständige Verwaltung und Nutzung ihres Vermögens erlaubt, zum anderen behielten sie dieses Recht auch bei einer Wiederverheiratung.
Im Einzelnen unterschied sich die Rechtsstellung der Frau im frühen Mittelalter bei den einzelnen Stämmen und Sozialgruppen erheblich. Im deutschen Recht des hohen und – stärker eingeschränkt – des späten Mittelalters erhielten sich die Grundzüge des frühmittelalterlichen Rechts zum großen Teil, verbanden sich jedoch mit christlich-kirchlichen Anschauungen. So schwächte sich der Umfang einzelner personenrechtlicher Befugnisse unter dem Einfluss des christlichen Personenverständnisses ab. Die Ehe wurde im Spätmittelalter als wechselseitige Treuebeziehung definiert und das Konsensprinzip eingeführt. Nach diesem Prinzip benötigten die Ehepartner in vielen Bereichen nun die Zustimmung des Ehepartners. In der städtischen Gesellschaft verbesserte sich sodann die Rechtsstellung der Frau in einigen das Handwerk und den Handel betreffenden Bereichen.
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Das im Neuen Testament ausgesprochene Verbot des Verleihens von Geld gegen Zinsen wurde im Frühmittelalter noch befolgt, denn es herrschte der Glaube, das dies Teufelswerk sei. |
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